Vogel des Jahres - LBV Kempten-Oberallgäu

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letztes Update: 24.03.2021 / 08:51
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Vogel des Jahres 2019

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Die Feldlerche  (Alauda arvensis)
Situation im Oberallgäu von Dietmar Walter
Unsere Feldlerche – oder Alauda arvensis, wieder Wissenschaftler sie nennt – ist die häufigste von ca. 9 Arten aus der Familie der Lerchen (Alaudidae), die mehr oder weniger häufig in Europa vorkommen. Bei uns im Oberallgäu lässt sich als regelmäßiger Durchzügler noch die Heidelerche (Lullula arborea) blicken und früher gelegentlich auch die Haubenlerche (Galerida cristata). Als große durchziehende Seltenheiten sind desweiteren die Ohrenlerche (Eremophila alpestris) und die Kurzzehenlerche (Calandrella brachydactyla) bei uns schon beobachtet worden.

Aus den wissenschaftlichen Namen ist zu ersehen, dass jede dieser 5 Arten einer anderen Gattung (1. Wort des Doppelnamens) innerhalb der Lerchenfamilie angehört und somit nicht näher miteinander verwandt ist.

Unsere 16-18 cm lange Feldlerche weist als bodenlebender Singvogel ein unscheinbares, bräunlich-sandfarbenes Gefieder auf, durch das die Geschlechter nicht unterschieden werden können. Sie brütet bzw. brütete (dazu später mehr) in Bayern auf offener Feldflur, wie Äcker, Brachflächen, Extensivgrünland und Feuchtwiesen.

Die als Kurzstreckenzieher früh zurückkommende Feldlerche erscheint bei uns in der Regel Ende Februar bis Anfang März. Das Bodennest in nur 10-20 cm hoher Vegetation wird ab Mitte April mit 3-5 rahmfarbenen, dicht gesprenkelten Eiern belegt und diese vom Weibchen knapp zwei Wochen bebrütet. Die Eltern füttern die geschlüpften Jungen mit allerlei Boden-Kleintieren im Nest bis sie dieses oft schon vor dem Flüggewerden (ca. 18. Tag) verlassen. In der Regel werden zwei Jahresbruten getätigt.

Der Vogel des Jahres 2019 ist – leider nur noch der älteren Generation – durch seine spektakulären Singflüge bekannt! Die Männchen markieren ihr Revier indem sie mit raschen Flügelschlägen und gespreiztem Schwanz 50-100 m in Spiralen steil in die Höhe steigen und dabei – maximal bis 15(!) min – lauthals singen. Eine unglaubliche Atemleistung, die ein menschlicher Bergsteiger nicht vollbringen könnte. Auf dem Höhepunkt der Sangestätigkeit im Frühjahr bringen die Männchen bis zu achtmal in einer Stunde diese Höchstleistung!

Hat die Lerche ihre Kulminationshöhe erreicht, kreist sie weiter singend über dem Revier und sinkt danach zunächst langsam abwärts um urplötzlich mit angelegten Flügeln wie ein Stein zu Boden zu stürzen und sich nur wenige Meter über diesem wieder abzufangen. Dieser beglückende, herrlich tirilierende Gesang mehrerer Lerchen vor und zum Sonnenaufgang gehörte noch vor 30 Jahren zum selbstverständlichen Naturgenuss des Autors bei seinen avifaunistischen Erhebungen im Betzigauer Moos. Die Zahl dieser Sänger ging in diesem größten Oberallgäuer Feuchtgebiet
von über 20 im Jahr 1978 auf Null im Jahr 2004 asymptotisch, persistierend zurück!

Als Gründe sind denkbar: Mit 700 m NN liegt das Betzigauer Moos über dem optimalen Siedlungsbereich der Feldlerche. Das widerspricht nicht dem höchsten Brutnachweis (Nest mit Jungen) Bayerns auf der Ellegghöhe (südl. des Rottachsees) bei 1095m NN, den der Autor 1995 erbringen konnte. Singende Männchen wurden sogar schon beim Haldenwanger Kopf
auf 2000 m Höhe beobachtet. Da die Feldlerche bereits seit den 1960er Jahren europaweit zurückgeht, ist klar, dass die jährliche Besiedlung unseres Landkreises immer weiter abnahm; denn die Art konnte aus eigener Kraft ihren Bestand in unseren sub- optimalen Gebieten nicht halten, sondern war auf steten Zuzug angewiesen. Zudem wirkten sich im Betzigauer Moos fast jährliche flächendeckende Überschwemmungen für diesen Bodenbrüter sehr negativ aus, da diese große Feuchtwiesenmulde (ehemals fürstäbtliches Fischereigewässer) als Hochwasser-Rückhaltebecken genutzt wird.

Aber auch Verluste durch Beutegreifer wie z.B. Fuchs und Wiesel oder Krähenvögel wie Rabenkrähe, Eichelhäher und Elster habenihren Beitrag dazu geliefert. Landwirtschaftliche Tätigkeit wie etwa das Streumähen dürfte – im Gegensatz zu anderen Gebieten im Landkreis – kaum eine Rolle gespielt haben. Letztgenannte Verrichtungen waren allerdings für den Rückgang der Art auf extensiv genutzten Wiesen die Hauptursache! Durch die immer früher einsetzende erste Mahd und die
zunehmende Häufigkeit der Folgeschnitte hatte dieser Bodenbrüter keine Chance mehr die Kinder Flüggewerden zu lassen.

Im gesamten Landkreis Oberallgäu (1600 km2) wurde schon seit weit über 20 Jahren kein Brutnachweis mehr erbracht! Selbst die Zahl singender, also revieranzeigender Männchen, nähert sich dem Nullpunkt. In den letzten beiden Jahren konnten im gesamten Landkreis nur noch 2-3 Sänger verhört werden! Selbst auf dem Durchzug sind die Anzahlen
dieses Kurzstreckenziehers stark rückläufig.

Sich niederlassende Schwärme von 100-200 Individuen gehören der Vergangenheit an. Sogar bei mehrstündigen quantitativen Erfassungen des herbstlichen Vogelzuges werden nur noch selten mehr als 50 Ziehende notiert. Mit dazu beitragen wird wohl auch die direkte Bejagung in SW-Frankreich, wo durch Ringfunde nachweislich die Mehrzahl der bayerischen Brutvögel den Winter verbringt.

Was kann für die Feldlerchen getan werden? In Ackerbau-Gebieten werden sogenannte Lerchenfenster angelegt: Nach dieser in England entwickelten Methode spart man rechteckige Flächen von der Aussaat aus, so dass auf diesen die Vegetationshöhe des aufwachsenden Getreides niedrig und lückig bleibt um dem Vogel eine Nestanlage zu ermöglichen. Im Allgäu werden Grundstückseigentümer wohl kaum neue Brachflächen schaffen oder gar auf eine frühe Mahd verzichten. So gesehen kommt der Verfasser leider zu einem traurigen Resümee für diesen einst so häufigen Wiesenvogel: Unsere Kinder und Enkel werden in ihrer Heimat auf längere Zeit wohl nicht mehr in den Genuss von jubilierenden Feldlerchen unter blauem Himmel kommen.
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